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aneignung_braucht_fremdheit [2012/06/29 13:06]
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 +**Vorwort**
  
 Wie verändern aus einer marxistisch-philosophischen Perspektive Aneignungsakte das, was in ihnen angeeignet wird - und welche emanzipatorischen Möglichkeiten bietet heute die Neuorientierung an einem Marx'schen Begriff der Aneignung? Wie verändern aus einer marxistisch-philosophischen Perspektive Aneignungsakte das, was in ihnen angeeignet wird - und welche emanzipatorischen Möglichkeiten bietet heute die Neuorientierung an einem Marx'schen Begriff der Aneignung?
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 Anmerkungen Anmerkungen
 [1] Bekanntlich ist bei Locke der Vorgang der "Aneignung", verstanden als Vermengung von etwas mit der "Arbeit der eigenen Hände", die Grundlage und Legitimation des Eigentums. Dabei kennt aber interessanterweise das Englische den Unterschied zwischen Besitzergreifung und Aneignung - beides "appropriation" - nicht. [1] Bekanntlich ist bei Locke der Vorgang der "Aneignung", verstanden als Vermengung von etwas mit der "Arbeit der eigenen Hände", die Grundlage und Legitimation des Eigentums. Dabei kennt aber interessanterweise das Englische den Unterschied zwischen Besitzergreifung und Aneignung - beides "appropriation" - nicht.
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 [2] Michael Theunissen, "Produktive Innerlichkeit", in: Frankfurter Hefte extra, Heft 6, Dezember 1984. [2] Michael Theunissen, "Produktive Innerlichkeit", in: Frankfurter Hefte extra, Heft 6, Dezember 1984.
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 [3] Es ist nicht ganz leicht zu sehen (und in der Interpretation nicht unumstritten), wie sich der Zusammenhang dieser Bestimmungen von Entfremdung für Marx darstellt. Wo im Text eine Abfolge und Entwicklung angedeutet wird, ist gleichzeitig nicht klar, ob diese logisch oder genetisch zu denken ist. Zudem liegt es nahe, sich die Entfremdung vom Gattungswesen nicht als eine weitere Dimension, sondern als Zusammenhang der drei vorher entwickelten Bestimmungen zu denken. Für eine ausführliche Interpretation dieser Fragen siehe u.a. Andreas Wildt, Die Anthropologie des frühen Marx, Doppelkurseinheit Fernuniversität Hagen, 1987. [3] Es ist nicht ganz leicht zu sehen (und in der Interpretation nicht unumstritten), wie sich der Zusammenhang dieser Bestimmungen von Entfremdung für Marx darstellt. Wo im Text eine Abfolge und Entwicklung angedeutet wird, ist gleichzeitig nicht klar, ob diese logisch oder genetisch zu denken ist. Zudem liegt es nahe, sich die Entfremdung vom Gattungswesen nicht als eine weitere Dimension, sondern als Zusammenhang der drei vorher entwickelten Bestimmungen zu denken. Für eine ausführliche Interpretation dieser Fragen siehe u.a. Andreas Wildt, Die Anthropologie des frühen Marx, Doppelkurseinheit Fernuniversität Hagen, 1987.
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 [4] Auf die soziale Entfremdung übertragen bedeutet das analog: Diese haben instrumentellen Charakter, sind von Herrschaft und (andererseits) Indifferenz geprägt. [4] Auf die soziale Entfremdung übertragen bedeutet das analog: Diese haben instrumentellen Charakter, sind von Herrschaft und (andererseits) Indifferenz geprägt.
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 [5] Zu einer ausführlichen und kritischen Auseinandersetzung mit der Marx'schen Entfremdungstheorie und der hier wirksamen Vorstellung von "Reichtum" siehe auch Georg Lohmann, Indifferenz und Gesellschaft, Frankfurt/M. 1991. [5] Zu einer ausführlichen und kritischen Auseinandersetzung mit der Marx'schen Entfremdungstheorie und der hier wirksamen Vorstellung von "Reichtum" siehe auch Georg Lohmann, Indifferenz und Gesellschaft, Frankfurt/M. 1991.
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 [6] Das Begriffspaar von Entfremdung und Aneignung steht damit für die qualitative Dimension einer Kritik von Selbst- und Weltverhältnissen, wie sie innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Produktions- und Aneignungsformen herrscht. Der schillernde Begriff des "Kommunismus" gewinnt hier eine Tiefendimension und manchmal einen nahezu utopischen Überschuss: Nicht nur eine andere Verteilung des Besitzes, sondern andere Weisen des Besitzens und des Umgangs mit der Welt werden hier entworfen. (Die Anknüpfung an solche Motive lässt sich von Lukács über Adorno bis hin zu Negt/Kluge verfolgen.) [6] Das Begriffspaar von Entfremdung und Aneignung steht damit für die qualitative Dimension einer Kritik von Selbst- und Weltverhältnissen, wie sie innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Produktions- und Aneignungsformen herrscht. Der schillernde Begriff des "Kommunismus" gewinnt hier eine Tiefendimension und manchmal einen nahezu utopischen Überschuss: Nicht nur eine andere Verteilung des Besitzes, sondern andere Weisen des Besitzens und des Umgangs mit der Welt werden hier entworfen. (Die Anknüpfung an solche Motive lässt sich von Lukács über Adorno bis hin zu Negt/Kluge verfolgen.)
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 [7] Zu dieser Thematik siehe Peter Furth, Phänomenologie der Enttäuschung, Frankfurt/M. 1991. [7] Zu dieser Thematik siehe Peter Furth, Phänomenologie der Enttäuschung, Frankfurt/M. 1991.
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 [8] Und umgekehrt: Entfremdung ist dann immer Entfremdung von etwas, das mir eigentlich zukommt, das mir eigentlich gehört oder zu dem ich eigentlich gehöre, ohne dass sich plausibel machen ließe, worauf diese Verbindung beruht. Die damit verbundenen Probleme kann ich hier nicht diskutieren. [8] Und umgekehrt: Entfremdung ist dann immer Entfremdung von etwas, das mir eigentlich zukommt, das mir eigentlich gehört oder zu dem ich eigentlich gehöre, ohne dass sich plausibel machen ließe, worauf diese Verbindung beruht. Die damit verbundenen Probleme kann ich hier nicht diskutieren.
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 [9] Es würde zu weit führen, das hier zu entwickeln. Zu einer fundierten Kritik des Entäußerungsmodells der Arbeit siehe aber E. M. Lange, Das Prinzip Arbeit, Frankfurt/M./Berlin/ Wien 1980. Zur Kritik am Marx'schen "Produktionsparadigma" als gesellschaftstheoretischer Grundlegung siehe Jürgen Habermas, "Arbeit und Interaktion", in: Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt/M. 1969. [9] Es würde zu weit führen, das hier zu entwickeln. Zu einer fundierten Kritik des Entäußerungsmodells der Arbeit siehe aber E. M. Lange, Das Prinzip Arbeit, Frankfurt/M./Berlin/ Wien 1980. Zur Kritik am Marx'schen "Produktionsparadigma" als gesellschaftstheoretischer Grundlegung siehe Jürgen Habermas, "Arbeit und Interaktion", in: Technik und Wissenschaft als Ideologie, Frankfurt/M. 1969.
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 [10] Und dass Marx das zu tun scheint, ist nur eines von vielen Problemen, die man mit dem Arbeitsbegriff haben kann. Siehe zu dieser Diskussion um das Arbeitskonzept und einer Kritik am Modell der Arbeit als "Telosrealisation", Peter Ruben, "Arbeit als Telosrealisation oder Selbsterzeugung der menschlichen Gattung?", in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr. 1, 1979. [10] Und dass Marx das zu tun scheint, ist nur eines von vielen Problemen, die man mit dem Arbeitsbegriff haben kann. Siehe zu dieser Diskussion um das Arbeitskonzept und einer Kritik am Modell der Arbeit als "Telosrealisation", Peter Ruben, "Arbeit als Telosrealisation oder Selbsterzeugung der menschlichen Gattung?", in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr. 1, 1979.